Der treue JohannesSeite 3 / 7
Der treue Johannes hieß den König auf dem Schiffe zurückbleiben und auf ihn warten. “Vielleicht,” sprach er, “bring ich die Königstochter mit, darum sorgt, daß alles in Ordnung ist, laßt die Goldgefäße aufstellen und das ganze Schiff ausschmücken.” Darauf suchte er sich in sein Schürzchen allerlei von den Goldsachen zusammen, stieg ans Land und ging gerade nach dem königlichen Schloß. Als er in den Schloßhof kam, stand da beim Brunnen ein schönes Mädchen, das hatte zwei goldene Eimer in der Hand und schöpfte damit. Und als es das blinkende Wasser forttragen wollte und sich umdrehte, sah es den fremden Mann und fragte, wer er wäre. Da antwortete er: “Ich bin ein Kaufmann,” und öffnete sein Schürzchen und ließ sie hineinschauen. Da rief sie: “Ei, was für schönes Goldzeug!” setzte die Eimer nieder und betrachtete eins nach dem anderen. Da sprach das Mädchen: “Das muß die Königstochter sehen, die hat so große Freude an den Goldsachen, daß sie Euch alles abkauft.” Es nahm ihn bei der Hand und führte ihn hinauf, denn es war die Kammerjungfer. Als die Königstochter die Ware sah, war sie ganz vergnügt und sprach: .,Es ist so schön gearbeitet, daß ich dir alles abkaufen will.” Aber der getreue Johannes sprach: “Ich bin nur der Diener von einem reichen Kaufmann. Was ich hier habe, ist nichts gegen das, was mein Herr auf seinem Schiff stehen hat, und das ist das Künstlichste und Köstlichste, was je in Gold gearbeitet worden ist.” Sie wollte alles heraufgebracht haben, aber er sprach: “Dazu gehören viele Tage, so groß ist die Menge, und so viele Säle, um es aufzustellen, daß Euer Haus nicht Raum dafür hat.” Da ward ihre Neugierde und Lust immer mehr angeregt, so daß sie endlich sagte: “Führe mich hin zu dem Schiff, ich will selbst hingehen und deines Herrn Schätze betrachten.”
Da führte sie der treue Johannes zu dem Schiffe hin und war ganz freudig, und der König, als er sie erblickte, sah, daß ihre Schönheit noch größer war, als das Bild sie dargestellt hatte, und meinte nicht anders, als das Herz wollte ihm zerspringen. Nun stieg sie in das Schiff, und der König führte sie hinein; der getreue Johannes aber blieb zurück bei dem Steuermann und hieß das Schiff abstoßen: “Spannt alle Segel auf, daß es fliegt wie ein Vogel in der Luft.” Der König aber zeigte ihr drinnen das goldene Geschirr, jedes einzeln, die Schüsseln, Becher, Näpfe, die Vögel, das Gewild und die wunderbaren Tiere. Viele Stunden gingen herum, während sie alles besah, und in ihrer Freude merkte sie nicht, daß das Schiff dahinfuhr Nachdem sie das letzte betrachtet hatte, dankte sie dem Kaufmann und wollte heim, als sie aber an des Schiffes Rand kam sah sie, daß es fern vom Land auf hohem Meere ging und mit vollen Segeln forteilte. “Ach,” rief sie erschrocken, “ich bin betrogen, ich bin entführt und in die Gewalt eines Kaufmannes geraten; lieber wollt ich sterben!” Der König aber faßte sie bei der Hand und sprach: “Ein Kaufmann bin ich nicht ich bin ein König und nicht geringer an Geburt als du bist. Aber daß ich dich mit List entführt habe, das ist aus übergroßer Liebe geschehen. Das erstemal, als ich dein Bildnis gesehen habe, bin ich ohnmächtig zur Erde gefallen.” Als die Königstochter vom goldenen Dache das hörte, ward sie getröstet, und ihr Herz ward ihm geneigt, so daß sie gerne einwilligte, seine Gemahlin zu werden.