Märchen von einem, der auszog, das Fürchten zu lernenSeite 3 / 7
Der Junge ging auch seines Wegs und fing wieder an, vor sich hin zu reden: “Ach, wenn mir's nur gruselte! Ach, wenn mir's nur gruselte!” Das hörte ein Fuhrmann, der hinter ihm her schritt, und fragte: “Wer bist du?” - “Ich weiß nicht,” antwortete der Junge. Der Fuhrmann fragte weiter: “Wo bist du her?” - “Ich weiß nicht.” - “Wer ist dein Vater?” - “Das darf ich nicht sagen.” - “Was brummst du beständig in den Bart hinein?” - “Ei,” antwortete der Junge, “ich wollte, daß mir's gruselte, aber niemand kann mich's lehren.” - “Laß dein dummes Geschwätz,” sprach der Fuhrmann. “Komm, geh mit mir, ich will sehen, daß ich dich unterbringe.” Der Junge ging mit dem Fuhrmann, und abends gelangten sie zu einem Wirtshaus, wo sie übernachten wollten. Da sprach er beim Eintritt in die Stube wieder ganz laut: “Wenn mir's nur gruselte! Wenn mir's nur gruselte!” Der Wirt, der das hörte, lachte und sprach: “Wenn dich danach lüstet, dazu sollte hier wohl Gelegenheit sein.” - “Ach, schweig stille,” sprach die Wirtsfrau, “so mancher Vorwitzige hat schon sein Leben eingebüßt, es wäre Jammer und Schade um die schönen Augen, wenn die das Tageslicht nicht wieder sehen sollten.” Der Junge aber sagte: “Wenn's noch so schwer wäre, ich will's einmal lernen, deshalb bin ich ja ausgezogen.” Er ließ dem Wirt auch keine Ruhe, bis dieser erzählte, nicht weit davon stände ein verwünschtes Schloß, wo einer wohl lernen könnte, was Gruseln wäre, wenn er nur drei Nächte darin wachen wollte. Der König hätte dem, der's wagen wollte, seine Tochter zur Frau versprochen, und die wäre die schönste Jungfrau, welche die Sonne beschien; in dem Schlosse steckten auch große Schätze, von bösen Geistern bewacht, die würden dann frei und könnten einen Armen sehr reich machen. Schon viele wären wohl hinein, aber noch keiner wieder herausgekommen. Da ging der Junge am andern Morgen vor den König und sprach: “Wenn's erlaubt wäre, so wollte ich wohl drei Nächte in dem verwünschten Schlosse wachen.” Der König sah ihn an und weil er ihm gefiel, sprach er: “Du darfst dir noch dreierlei ausbitten, aber es müssen leblose Dinge sein, und das darfst du mit ins Schloß nehmen.” Da antwortete er: “So bitt ich um ein Feuer, eine Drehbank und eine Schnitzbank mit dem Messer.”