EselshautSeite 2 / 14
Auffallend war nur dieses, daß in diesen prächtigen Stallungen ein Esel den obersten, besten und vornehmsten Platz einnahm. Aber diesem Esel mußte man es zugestehen, daß er die Ehren, die ihm zuteil wurden, reichlich verdiente. Denn an jedem Morgen fanden sich in seinem Stand in schönen, wohlgeordneten Haufen große Mengen von Laubtalern und von Louis- und Friedrichsdoren aller Art, die man nur mit dem Besen zusammenzufegen brauchte, um mehr zu haben, als der ganze Hof- und Haushalt des Königs bedurfte. Der eine Esel war mehr wert als ein ganzes Dutzend der besten Finanzminister.
Wie aber in dieser besten der Welten alles dem Wandel unterworfen ist, das Glück der Könige ebensogut wie das der Untertanen, und wie auf Freud Leid folgen muß, so geschah es auch, daß die Königin plötzlich eine bösartige Krankheit heimsuchte, an der die Kunst der berühmtesten Ärzte zuschanden wurde.
Die Trostlosigkeit lag wie ein dicker Nebel auf dem ganzen Lande.
Wie die Königin ihr letztes Stündlein herannahen fühlte, sprach die hohe Kranke zu ihrem in Tränen schwimmenden Gatten wie folgt: »Mein Gatte, gestattet mir in meiner letzten Stunde eine Bitte, nämlich, daß, wenn Ihr Lust habt, Euch wieder zu verehelichen...«
»Niemals! Niemals!« fiel ihr hier der König schluchzend ins Wort, bedeckte ihre Hand mit Küssen und versicherte, daß jedes Wort eitel sei... »Zweite Ehe!« – lachte er bitter – »nein, liebe Königin, befehlet lieber, daß man mich gleich mit Euch bestatte...«
»Der Staat«, sagte die Königin mit einer Einsicht, die ihm den bevorstehenden Verlust noch empfindlicher machte, »der Staat verlangt einen männlichen Thronfolger, und da ich Euch nur eine Tochter gegeben, wird man in Euch dringen, für einen Sohn zu sorgen, der Eure Tugenden erbe und Eure segensreiche Regierung fortsetze. Nun aber beschwöre ich Euch aufs inständigste, bei aller Liebe, die uns verbunden, weichet dem Andringen Eurer Völker nicht eher, als bis Ihr eine Prinzessin gefunden, die schöner und besser gewachsen ist, als ich es war. Versprechet mir das mit einem Eide, und ich will ruhig verscheiden.«