Die NachtigallSeite 4 / 10
»Nein, das sind Frösche!« sagte die kleine Köchin. »Aber nun, denke ich werden wir sie bald hören!«
Da begann die Nachtigall zu singen.
»Das ist sie«, sagte das kleine Mädchen. »Hört, hört! Und da sitzt sie!« Sie zeigte nach einem kleinen, grauen Vogel oben in den Zweigen.
»Ist es möglich?« sagte der Haushofmeister. »So hätte ich sie mir nimmer gedacht; wie einfach sie aussieht! Sie hat sicher ihre Farbe darüber verloren, daß sie so viele vornehme Menschen um sich erblickt!«
»Kleine Nachtigall«, rief die kleine Köchin ganz laut, »unser gnädigste Kaiser will, daß Sie vor ihm singen möchten!«
»Mit dem größten Vergnügen«, sagte die Nachtigall und sang dann, daß es eine Lust war.
»Es ist gerade wie Glasglocken!« sagte der Haushofmeister. »Und seht die kleine Kehle, wie sie arbeitet! Es ist merkwürdig, daß wir sie früher nie gesehen haben; sie wird großes Aufsehen bei Hofe machen!«
»Soll ich noch einmal vor dem Kaiser singen?« fragte die Nachtigall, die glaubte, der Kaiser sei auch da.
»Meine vortreffliche, kleine Nachtigall«, sagte der Haushofmeister, »ich habe die große Freude, Sie zu einem Hoffeste heute abend einzuladen, wo Sie Dero hohe Kaiserliche Gnaden mit Ihrem prächtigen Gesange bezaubern werden!«
»Der nimmt sich am besten im Grünen aus!« sagte die Nachtigall, aber sie kam doch gern mit, als sie hörte, daß der Kaiser es wünschte.
Auf dem Schlosse war alles aufgeputzt. Wände und Fußboden, die von Porzellan waren, glänzten im Strahle vieler tausend goldener Lampen, und die prächtigsten Blumen, die recht klingeln konnten, waren in den Gängen aufgestellt. Da war ein Laufen und ein Zugwind, aber alle Glocken klingelten so, daß man sein eigenes Wort nicht hören konnte.
Mitten in dem großen Saal, wo der Kaiser saß, war ein goldener Stab hingestellt, auf dem sollte die Nachtigall sitzen. Der ganze Hof war da, und die kleine Köchin hatte die Erlaubnis erhalten, hinter der Tür zu stehen, da sie nun den Titel einer wirklichen Hofköchin bekommen hatte. Alle waren in ihrem größten Staate, und alle sahen nach dem kleinen, grauen Vogel, dem der Kaiser zunickte.