Sonnenschein-GeschichtenSeite 2 / 4
Und der Sonnenschein erzählte:
"Es flog ein Schwan über das rollende Meer dahin, jede Feder desselben leuchtete wie Gold; eine Feder fiel herab auf das große Kaufmannsschiff, welches mit vollen Segeln vorüberglitt; die Feder fiel auf den Lockenkopf eines jungen Mannes, des Beaufsichtigers der Waren, Superkargo nannten sie ihn. Die Feder des Glücksvogels berühre seine Stirn, wurde zur Schreibfeder in seiner Hand, und er wurde bald der reiche Kaufmann, der sich schon Sporen von Gold kaufen und eine goldne Schüssel in einen Adelsschild verwandeln konnte; ich habe den Schild beschienen!" sagte der Sonnenschein.
"Der Schwan flog über die grüne Wiese dahin, wo der kleine Schafhüter, ein Knaben von sieben Jahren, sich in den Schatten des alten einzigen Baumes hingestreckt hatte. Und der Schwan in seinem Fluge küßte ein Blatt des Baumes und das Blatt fiel herab, in die Hand des Knaben, und dieses eine Blatt wurde zu dreien, wurde zu zehn Blättern, wurde zu einem ganzen Buch, und der Knabe las in demselben von den Wunderwerken der Natur, von der Muttersprache, von Glauben und Wissen. Wenn er schlafen ging, legte er das Buch unter seinen Kopf, damit er nicht vergessen möchte, was er gelesen, und das Buch trug ihn auf die Schulbank und zu dem Tische des Gelehrten. Ich habe seinen Namen unter denen der Gelehrten gelesen!" sagte der Sonnenschein.
"Der Schwan flog in die Waldeinsamkeit, ruhte sich dort aus auf den stillen dunklen Seen, wo die Wasserlilien blühen, wo die wilden Waldäpfel wachsen und des Kuckucks und der Waldtaube Heimat ist. Eine arme Frau las dort Reisig auf; herabgefallene Baumzweige, die sie in einem Bündel auf ihrem Rücken trug, ihr Kind trug sie an der Brust, und so wanderte sie ihren Weg nach Hause. Sie sah den goldenen Schwan, den Glücksschwan, sich von dem schilfbewachsenen Ufer emporschwingen. Was glänzte dort? Ein goldiges Ei; es war noch warm. Sie legte es an ihre Brust, und es blieb warm, das Ei hatte gewiß Leben. Ja, es tickte hinter der Schale; sie fühlte das und glaubte, es sei ihr eigenes Herz, welches klopfte.