Die wilden SchwäneSeite 11 / 16
Die Nacht brachte sie bei ihrer Arbeit zu, denn sie hatte keine Ruhe, bevor sie die lieben Brüder erlöst hätte. Den ganzen folgenden Tag, während die Schwäne fort waren, saß sie in ihrer Einsamkeit; aber noch nie war die Zeit ihr so schnell entflohen. Ein Panzerhemd war schon fertig, nun fing sie das zweite an.
Da ertönte ein Jagdhorn zwischen den Bergen; sie wurde von Furcht ergriffen. Der Ton kam immer näher, sie hörte Hunde bellen; erschrocken floh sie in die Höhle, band die Nesseln, die sie gesammelt und gehechelt hatte, in ein Bund zusammen und setzte sich drauf.
Sogleich kam ein großer Hund aus der Schlucht hervorgesprungen, und gleich darauf wieder einer und noch einer; sie bellten laut, liefen zurück und kamen wieder vor. Es währte nur wenige Minuten, so standen alle Jäger vor der Höhle, und der schönste unter ihnen war der König des Landes. Er trat auf Elisa zu, nie hatte er ein schöneres Mädchen gesehen.
“Wie bist du hierher gekommen, du herrliches Kind?” frage er. Elisa schüttelte den Kopf, sie durfte ja nicht sprechen; es galt ihrer Brüder Erlösung und Leben. Und sie verbarg ihre Hände unter der Schürze, damit der König nicht sehen solle, was sie leiden mußte.
“Kommt mit mir!” sagte er, “hier darfst du nicht bleiben. Bist du so gut, wie du schön bist, so will ich dich in Seide und Samt kleiden, die Goldkrone dir auf das Haupt setzen, und du sollst in meinem reichsten Schloß wohnen und hausen!” Und dann hob er sie auf sein Pferd. Sie weinte und rang die Hände, aber der König sagte: “Ich will nur dein Glück! Einst wirst du mir dafür danken”. Und dann jagte er fort durch die Berge und hielt sie vorn auf dem Pferd, und die Jäger jagten hinterher.
Als die Sonne unterging, lag die schöne Königsstadt mit Kirchen und Kuppeln vor ihnen. Und der König führte sie in das Schloß, wo große Springbrunnen in den hohen Marmorsälen plätscherten, wo Wände und Decken mit Gemälden prangten. Aber sie hatte keine Augen dafür, sie weinte und trauerte. Willig ließ sie sich von den Frauen königliche Kleider anlegen, Perlen in ihre Haar flechten und feine Handschuhe über die verbrannten Finger ziehen.