BlaubartSeite 5 / 7
Sie schob es mehrere Male auf, aber am Ende mußte sie den Schlüssel denn doch herbeibringen.
Blaubart betrachtete ihn und sagte dann: »Wie kommt Blut an diesen Schlüssel?«
»Ich weiß es nicht«, antwortete das arme Weib, blaß wie der Tod.
»Du weißt es nicht«, schrie Blaubart, »ich aber weiß es, ich! Du wolltest in das Kabinett! Nun wohl, du sollst deinen Willen haben, du wirst hineinkommen in dieses Kabinett und wirst deinen Platz einnehmen neben den Damen, die du dort zu sehen das Vergnügen hattest.«
Sie warf sich ihm zu Füßen, weinte und bat um Verzeihung und Gnade mit allen Zeichen der Reue. Sie weinte, wie man sich denken kann, vergebens, denn Blaubart hatte ein Herz von Stein.
»Du mußt sterben«, sagte er gefaßt, »und zwar gleich.«
»Wenn ich schon sterben muß«, sagte sie mit vor Tränen zitternder Stimme, »so laß mir nur so viel Zeit, um mein Gebet verrichten zu können.«
»Ich gewähre dir eine halbe Viertelstunde und keine Minute mehr.«
Als er sie allein ließ, rief sie ihre Schwester und sagte zu dieser: »Schwester Anna, ich bitte dich, steige auf den Turm, so hoch du kannst, und sieh, ob nicht meine Brüder kommen. Sie haben sich auf heute zu Besuch angesagt, und wenn du sie kommen siehst, mache ihnen Zeichen, daß sie sich beeilen.«
Schwester Anna stieg auf den Turm, so hoch sie konnte, und die arme Betrübte rief von Zeit zu Zeit zu ihr hinauf: »Anna, Schwester Anna, siehst du nichts kommen?«
Und Schwester Anna antwortete: »Ich sehe nur die Sonne, die schimmert, und das grüne Gras, das glitzert.« Unterdessen stand Blaubart, mit einem großen Messer in der Hand, unten und rief aus Leibeskräften seiner Frau; »Komme rasch herunter, oder ich steige hinauf!«