BlaubartSeite 6 / 7
»Noch einen Augenblick!« antwortete seine Frau, und dann rief sie leise: »Anna, Schwester Anna, siehst du nichts kommen?«
Und Schwester Anna antwortete: »Ich sehe nur die Sonne, die schimmert, und das grüne Gras, das glitzert.«
»So komm doch!« schrie Blaubart, »oder ich steige hinauf!«
»Ich komme!« antwortete seine Frau, dann rief sie: »Anna, Schwester Anna, siehst du nichts kommen?«
»Ich sehe«, erwiderte Schwester Anna, »einen großen Staub, der sich von jener Seite erhebt.«
»Sind es meine Brüder?«
»Ach nein, meine Schwester, es ist eine Schafherde.«
»Willst du nicht endlich kommen?« schrie Blaubart.
»Noch eine Minute«, antwortete seine Frau, dann rief sie: »Anna, Schwester Anna, siehst du nichts kommen?«
»Ich sehe«, antwortete Schwester Anna, »ich sehe zwei Ritter von jener Seite kommen, aber sie sind noch sehr weit.« Und einen Augenblick später rief sie: »Gott sei gelobt, es sind die Brüder. Ich mache ihnen, soviel ich kann, Zeichen, daß sie sich beeilen.«
Blaubart schrie und rief jetzt so stark, daß das Haus zitterte. Das arme Weib stieg hinab, warf sich ihm zu Füßen, weinte und jammerte ganz fürchterlich und rang die Hände.
»Das führt zu nichts«, sagte Blaubart, »du mußt sterben!«
Dann griff er mit einer Hand in ihr Haar, mit der andern schwang er das große Messer, um ihr den Kopf abzuschneiden. Die arme Frau wandte sich zu ihm, sah ihn mit brechenden Augen an und bat noch um einen Augenblick, um sich zu sammeln.
»Nein! Nein! Empfiehl deine Seele Gott aufs beste!« rief er und hob den Arm ... In diesem Augenblick schlug man so gewaltig an die Tür, daß Blaubart stutzte. Man öffnete sogleich. Zwei Ritter mit gezückten Schwertern traten ein und stürzten sich geradenwegs auf Blaubart.