Der kleine DäumlingSeite 7 / 10
Zeit gewonnen, alles gewonnen! dachte der Däumling und ließ sich's schmecken, dann folgte er mit den Brüdern der guten Frau in die obere Stube, wo sie sich alle sieben in ein großes, breites Bett legten. In derselben Stube, in einem gleich großen, breiten Bette schliefen die sieben Töchter des Riesen, junge, ebenfalls zum Menschenfleischessen geborene Riesinnen. Sie sahen sehr wohlgenährt, hübsch und frisch aus, wie alle, die von andern leben. Ihre Vorderzähne waren sehr lang und gingen breit auseinander, was ihre Bestimmung und Nahrungsweise verriet. Noch waren sie nicht sehr bösartig, aber sie berechtigten zu den schönsten Hoffnungen, denn wo sie ein Kind erwischen konnten, bissen sie drein. Auf ihren Köpfen trugen die sieben Mädchen sieben Kronen. Das bemerkte der kleine Däumling sogleich, und kaum hatte die gute Frau die Stube verlassen, als er ihnen die Kronen abnahm und ihnen dafür sieben Mützen, seine eigene und die seiner Brüder, aufsetzte. Sie merkten nichts davon, da sie einen riesig tiefen Schlaf hatten. Sich und den Brüdern aber, welche ebenfalls bereits schliefen, setzte er die sieben Kronen auf. Man kann nicht wissen, wozu das gut ist, dachte er. In seiner Herzensfreude über den guten Fang hatte der Kinderfresser etwas zu tief ins Glas gesehen, und als er sich endlich ins Bett gelegt, ließ ihn der Gedanke an die guten Braten nicht schlafen. Er warf sich unruhig hin und her und konnte kein Auge schließen.
Ich würde wohl besser schlafen, wenn ich die Sache vom Herzen hätte, dachte er. Das Gute und Nützliche soll man nicht aufschieben.
Er erhob sich leise, nahm das Messer und schlich sich, um seine Frau, deren Widerspruch er fürchtete, nicht zu wecken, im Dunkeln davon. Er tappte die Treppe hinauf in das Kinderzimmer und an das Bett der Knaben. Weiter tappend, fühlte er die Kronen.
»Teufel«, sagte er, »da hätte ich was Rechtes angerichtet, hätte beinahe meine eigenen Kinder abgeschlachtet anstatt der fremden Buben.«