Der kleine DäumlingSeite 6 / 10
Als der Riese mit Essen fertig war, erhob er die Nase und fing an, nach allen Seiten herumzuschnüffeln.
»Ich rieche, rieche Menschenfleisch«, sagte er unheimlich.
»Es wird wohl nur das Kalb sein«, sagte seine Frau, »das Kalb, das ich für dich abgezogen habe.«
»Schweig«, rief der Riese zornig, »darauf verstehe ich mich! Ich rieche, rieche Menschenfleisch!« – Und so sprechend, ging er, immer schnüffelnd, geradenwegs seiner Nase folgend, auf das Bett los.
»Ach, treuloses Weib«, schrie er sichtlich entrüstet, »du hast Geheimnisse vor mir, du willst mich täuschen, du rücksichtsloses, pflichtvergessenes Weib! Nichts, als deine Magerkeit hält mich ab, sonst fräße ich dich selber!« Sein Gesicht klärte sich wieder auf, wie er einen Knaben nach dem andern unter dem Bette an den Beinen hervorzog.
»Herrliche Bissen! Prächtiges Wildbret!« murmelte er und leckte sich dabei die Lippen ab – «das trifft sich gut, da ich gerade drei Riesen, meine Freunde, dieser Tage zu Tische habe.«
Die armen Kinder schrien, umklammerten seine Knie und Füße und baten um ihr Leben, während das Ungeheuer sie betastete, die guten Bissen lobte und nur von der Sauce sprach, in der sie genossen werden müßten. Es war gerade einer der furchtbarsten Menschenfresser. Er zog sein großes Messer, schliff es und packte dann einen der Knaben, als seine Frau sagte: »Aber warum willst du sie heute schon schlachten? Ist nicht morgen Zeit?«
»Was du heute tun kannst, verschiebe nicht auf morgen!« antwortete der Riese.
»Aber es ist noch so viel Fleisch da, kälbernes, schweinernes, schöpsernes, das geht ja alles verdorben.«
»Das ist richtig. Also füttere sie gut, daß sie mir nicht abmagern, und bringe sie dann zu Bette.«