Die FeeSeite 2 / 4
Eines Tages, da sie wieder am Brunnen war, kam eine alte Frau daher, die sie um einen Trunk Wasser bat. »Gern, gern, mein gutes Mütterchen«, rief das Mädchen, spülte den Krug aus, schöpfte an der klarsten Stelle des Brunnens und hielt den Krug, während die Alte ihren Durst stillte. Nachdem sie getrunken, sagte die Alte, welche, im Vertrauen gesagt, eine Fee war und sich nur so verkleidet hatte, um die Herzensgüte des Mädchens zu prüfen, sie sagte also: »Mein Kind, du bist so schön, gut und lieb, daß ich dir mit Vergnügen ein Geschenk machen will. Dies Geschenk besteht darin, daß jedes Wort, das du von nun an sprechen wirst, als eine Blume oder als ein Edelstein aus deinem Munde hervorkommen soll.«
Als sie nun nach Hause kam, zankte sie die Mutter, daß sie so lange ausgeblieben.
»Ich bitte dich um Verzeihung, meine Mutter«, sagte das Mädchen, »daß ich so spät komme« – und siehe da, wie sie das sagte, kamen aus ihrem Munde zwei Rosen, zwei Perlen und zwei große Diamanten hervor.
»Was seh ich!« rief die Mutter erstaunt, »ich glaube gar, sie spricht Perlen und Diamanten! Wie kommt das, mein Kind?« – Es war das erstemal in ihrem Leben, daß sie sie »mein Kind« nannte. – Das gute Mädchen erzählte ganz einfach und aufrichtig, was ihr begegnet war, und während sie erzählte, quollen eitel Perlen und Diamanten aus ihrem Munde.
»Das ist ja wunderbar«, rief die Mutter, »da muß gleich auch meine Tochter hin. Sieh mal, Suse, was da aus dem Munde deiner Schwester hervorkommt! Würde dir eine solche Eigenschaft nicht besser passen? Du darfst nur an den Brunnen gehen und Wasser schöpfen, und wenn ein altes Weib kommt und dich um einen Trunk bittet, höflich zu trinken geben.«
»Wahrhaftig«, antwortete die ältere, »das würde sich schön für mich schicken, an den Brunnen zu gehen!«
»Aber ich will es«, schrie die Mutter, »und du gehst sogleich.«
So ging sie denn, aber immer brummend, und die schönste silberne Kanne hatte sie mitgenommen. Am Brunnen stehend, sah sie eine prachtvoll geputzte Dame aus dem Walde herankommen, die sie um einen Trunk Wasser bat. Es war das, wie man leicht errät, dieselbe Fee, die ihrer guten Schwester erschienen war und welche jetzt in Gestalt einer Prinzessin auftrat, um zu sehen, wie weit die Unart der bösen gehen werde.