Die kleine SeejungfrauSeite 19 / 24
Aber nun sollte der Prinz sich verheiraten und des Nachbarkönigs schöne Tochter haben, erzählte man, deswegen rüstete er ein prächtiges Schiff aus. Der Prinz reist, um des Nachbarkönigs Länder zu besichtigen, heißt es wohl, aber es geschieht, um des Nachbarkönigs Tochter zu sehen, ein großes Gefolge soll ihn begleiten; aber die kleine Seejungfrau schüttelte das Haupt und lächelte; sie kannte des Prinzen Gedanken weit besser, als die andern. »Ich muß reisen!« hatte er zu ihr gesagt. »Ich muß die schöne Prinzessin sehen, meine Eltern verlangen es, aber sie wollen mich nicht zwingen, sie als meine Braut heimzuführen. Ich kann sie nicht lieben, sie gleichet nicht dem schönen Mädchen im Tempel, der Du ähnlich bist; sollte ich einst eine Braut wählen, so würdest Du es eher sein, mein liebes, gutes Findelkind mit den sprechenden Augen!« Und er küßte sie auf ihren roten Mund, spielte mit ihren schönen, langen Haaren und legte sein Haupt an ihr Herz, sodaß dieses von Menschenglück und einer unsterblichen Seele träumte.
»Du fürchtest doch das Meer nicht, mein stummes Kind?« sagte er, als sie auf dem prächtigen Schiffe standen, welches ihn nach dem Lande des Nachbarkönigs führen sollte, und er erzählte ihr vom Sturm und von der Windstille, von seltsamen Fischen in der Tiefe und was die Taucher dort gesehen, und sie lächelte bei seiner Erzählung, sie wußte ja besser, als sonst jemand, auf dem Grunde des Meeres Bescheid.
In der mondhellen Nacht, wenn sie alle bis auf den Steuermann, der am Ruder stand, schliefen, saß sie an dem Bord des Schiffes und starrte durch das klare Wasser hinunter, und sie glaubte ihres Vaters Schloß zu erblicken; hoch auf demselben stand die alte Großmutter mit der Silberkrone auf dem Haupte und starrte durch die reißenden Ströme nach des Schiffes Kiel empor. Da kamen ihre Schwestern über das Wasser hervor, und starrten sie traurig an und rangen ihre weißen Hände; sie winkte ihnen zu, lächelte und wollte erzählen, daß es ihr gut gehe, daß sie glücklich sei, aber der Schiffsjunge näherte sich ihr und die Schwestern tauchten unter, sodaß er glaubte, das Weiße, was er gesehen, sei nur Schaum auf der See gewesen.