Die glückliche FamilieSeite 2 / 5
Nun war da ein alter Herrenhof, wo man keine Schnecken mehr aß; sie waren ganz ausgestorben. Aber die Kletten waren nicht ausgestorben; sie wuchsen und wachsen, wuchsen über alle Gänge und alle Beete, man konnte ihrer gar nicht mehr Herr werden; es war ein wahrer Klettenwald. Hier und da stand ein Apfel- oder ein Pflaumenbaum, sonst hätte man nie und nimmer geglaubt, daß dies ein Garten sei, alles war voller Kletten, und da drinnen wohnten die beiden letzten uralten Schnecken.
Sie wußten selbst nicht mehr, wie alt sie waren; aber sie konnten sich noch gut erinnern, daß sie einst viel mehr gewesen waren, daß sie von einer Familie aus fremden Ländern stammten und daß für sie und die Ihren der ganze Wald gepflanzt worden war. Sie waren nie herausgekommen, doch sie wußten, daß es noch etwas in der Welt gab, das der Herrenhof hieß, und dort wurde man gekocht. Dann wurde man schwarz und kam auf eine silberne Schüssel, aber was dann weiter geschah, wußte man nicht. Wie es im übrigen war, gekocht zu werden und auf einer silbernen Schüssel zu liegen, konnten sie sich nicht vorstellen, aber herrlich mußte es sein und besonders vornehm. Weder Maikäfer, noch Kröten oder Regenwürmer, die sie darum befragten, konnten Bescheid geben. Keins von ihnen war gekocht worden oder hatte auf einer silbernen Schüssel gelegen.
Die alten weißen Schnecken waren die vornehmsten in der Welt, das wußten sie. Der Wald war nur ihretwegen da, und der Herrenhof war dazu da, daß sie gekocht werden und auf eine silberne Schüssel gelegt werden konnten.
Sie lebten nun sehr einsam und glücklich, und da sie selbst keine Kinder hatten, hatten sie eine kleine gewöhnliche zu sich genommen, die sie wie ihr eigenes Kind aufzogen. Aber der Kleine wollte nicht wachsen, denn er war gewöhnlich. Aber die Alten, besonders die Mutter, die Schneckenmutter, meinte doch zu bemerken, daß er zunahm, und sie bat Vater, wenn er es nicht sehen könne, so möge er nur das kleine Schneckenhaus anfühlen. Und dann fühlte er und fand, daß Mutter recht habe.