Das RotkäppchenSeite 3 / 5
»Ich bin es, das Rotkäppchen. Ich bringe dir Wein und Kuchen und allerlei gute Sachen.«
»Drücke die Klinke, und sie wird springen!«
Der Wolf drückte die Klinke, und sie sprang, und er warf sich auf die arme Großmutter und verschlang sie in einer Minute, als wäre es nichts. Dann tat er ihre Kleider an, setzte ihre Haube auf, zog sie tief ins Gesicht, schloß die Türe, legte sich in das warme Bett und wartete.
Hat schon die alte magere Großmutter gut geschmeckt, dachte er, wie wird erst das appetitliche Rotkäppchen schmecken. Ich sehne mich nach ihr, ich liebe sie zum Fressen.
Rotkäppchen ließ nicht lange auf sich warten. Top! Top!
»Wer ist draußen?« fragte der Wolf und gab sich alle Mühe, die Stimme der Großmutter nachzuahmen.
»Ich bin es, das Rotkäppchen. Ich bringe dir Wein und Kuchen und allerlei gute Sachen und viele Blumen.«
»Drücke die Klinke, und sie wird springen!«
Rotkäppchen drückte die Klinke und trat ein. Die Stimme der Großmutter klang ihr etwas verdächtig, und in der Stube war eine sonderbare Luft, fast wie in einer Menagerie. Es wurde ihr eigentümlich zumute. Ahnung nennt man das, und wie es heißt, empfindet das jeder, der gefressen werden soll. Sie wußte gar nicht, was tun und sagen, und sah sich ganz ängstlich in der Stube um. Der Wolf zog die Decke übers halbe Gesicht, und anstatt sie gleich zu fressen wie die Großmutter, sagte der alte Sünder mit verstellter Stimme: »Mein liebes Rotkäppchen, stelle die Sachen hin, kleide dich aus und lege dich zu mir ins Bett.«
Zitternd gehorchte das Rotkäppchen, kleidete sich aus und legte sich ins Bett zu dem alten Sünder. Ach, dachte sie, es ist mir, als hätte ich unrecht getan, daß ich der Mutter nicht gehorchte und daß ich nicht den geraden Weg gegangen bin. Und wie sie die Decke aufhob, war sie erstaunt über das Aussehen der Großmutter.