Der kleine DäumlingSeite 3 / 10
Dann sagte er: »Jetzt ist genug geweint! Seid ihr Männer? Ich bin einer. Vater und Mutter haben euch hier steckenlassen, ich führe euch wieder heim. Auf, mir nach!«
Wie gesagt, so getan. Sie folgten ihm, und er führte sie auf demselben Wege, auf dem sie gekommen waren und den er sich mit den Steinchen bezeichnet hatte, aus dem Walde bis vors Haus. Aber sie hatten nicht den Mut einzutreten. Sie legten die Ohren an die Türe und horchten. Da drin ging's hoch her. Der Gutsherr hatte mittlerweile zehn blanke Taler geschickt, die Mutter hatte Brot, Fleisch und Würste geholt, zehnmal soviel, als sie brauchten, denn sie waren sehr hungrig, und die Augen gehen immer weiter als der Magen. Als sie sich voll und satt gegessen hatten, daß sie nicht weiter konnten, rief die Mutter: »Ach, meine armen Kinder! Wo sind jetzt meine armen Kinder? Gewiß hat sie schon der Wolf gefressen, dieweil sie selbst so gut essen könnten, wenn sie hier wären! Wo sind meine armen Kinder?«
Sie rief das so oft, daß der Alte ungeduldig wurde und ihr zu schweigen befahl, weil ihn das Gewissen zu plagen anfing. Um dieses und die Frau, die sich nichts befehlen ließ, zum Schweigen zu bringen, hob er endlich die Hand auf, um sie zu prügeln. Sie aber rief immer: »Wo sind jetzt meine armen Kinder?«
Als sie es so ungefähr zum zwanzigsten Male rief, sprang die Türe auf, und die Kinder schrien alle zusammen: »Hier sind wir! Hier sind wir!«
Das war aber eine Freude, daß es gar nicht zu sagen ist, um so mehr, als die Kinder schnell ihre Schüsselchen holten und die Mutter ebenso schnell aus dem Kessel schöpfte und die Schüsselchen füllte. Die Kinder aßen und erzählten und erzählten und aßen, und letzteres so gut, daß nur vom Zusehen der Vater neuen Appetit bekam und die Mutter zum zweiten Male satt wurde. Die Freude dauerte noch die nächsten Tage hindurch, gerade so lange, wie die zehn Taler dauerten.