EselshautSeite 7 / 14
Die Flucht der Prinzessin verbreitete allgemeine Bestürzung. Der König war mehr als verzweifelt. Die Hochzeitskuchen und Braten, die bereitstanden, sahen ihn an wie ebenso viele Grabsteine seiner Liebe.
Alles zitterte vor Besorgnis, das Fehlschlagen seiner Hoffnungen werde ihn in einen Tyrannen verwandeln, und in der Tat erfüllte er die weiten Räume seines Palastes, die er durchtobte, mit tyrannenhaften Reden und Drohungen.
Zu einiger Besinnung gekommen und sich der Mittel erinnernd, die ihm zu Gebote standen, erließ er hinter der entflohenen Prinzessin Steckbrief auf Steckbrief.
Unterdessen wanderte die Prinzessin weit, weiter, immer weiter und noch weiter und suchte überall nach einem Unterkommen.
Aber die Anstellungen, wenn man danach sucht, sind immer rar, und von der schmutzigen Person wollte man vollends nichts wissen, höchstens daß man ihr hier und da aus Barmherzigkeit ein Stück Brot für ihren Hunger verabreichte und um sie so schnell als möglich loszuwerden.
Endlich kam sie, in der Nähe einer großen Stadt, in einen Meierhof, dessen Pächterin einer Schmutzmagd bedurfte, welche die Schmutzlappen waschen, die Truthühner füttern und die Schweineställe reinigen sollte. Dazu schien die Prinzessin in der Eselshaut gerade gut genug, und sie nahm die Stelle, müde des Landstreicherlebens, gerne an. Man wies ihr den verborgensten Winkel im Hause an, und in den ersten Tagen war sie die Zielscheibe des Spottes der ganzen Dienerschaft, so schmutzig und widerlich nahm sie sich in ihrer Eselshaut aus. Nach und nach aber gewöhnte man sich an ihren Anblick und ließ sie um so lieber in Ruhe, als sie ihre Pflichten aufs gewissenhafteste erfüllte und das ihr anvertraute Vieh auffallend gedieh.
Eines Tages, da sie, die Schafe und Ziegen hütend, mit einem Lamme spielend und ihr trauriges Geschick bedenkend, in holder Einsamkeit am Rande eines kleinen Wassers saß, fiel es ihr ein, sich darin zu bespiegeln. Sie erschrak über die häßliche Eselshaut, die sie bekleidete, und über ihr ganzes Aussehen. Schnell wusch sie Hände und Gesicht, die weiß wie Elfenbein zum Vorschein kamen, und die Frische ihres Gesichtes schien sich unter der Schmutzdecke besonders gut konserviert zu haben. Erfreut über ihre Schönheit, badete sie sich ganz – aber hierauf mußte sie sich doch wieder in ihre Eselshaut hüllen. Allein am nächsten Tage, einem Feiertage, schloß sie sich in ihr Kämmerlein ein, zauberte ihren Koffer herbei und legte das wunderschöne Wetterkleid an. Ihr Zimmerchen war so klein, daß nicht einmal die Schleppe darin Platz hatte. Das störte sie nicht, sie hatte ihre Freude an ihrem Putz und ihrer Schönheit und beschloß, sich diese Freude nunmehr jeden Sonn- und Feiertag zu gönnen.