Riquet mit dem SchopfSeite 3 / 7
Eines Tages, als sie sich mit ihrem Kummer in die Einsamkeit des Waldes zurückzog, trat plötzlich ein kleiner, sehr häßlicher, sehr unangenehm aussehender, aber prächtig gekleideter Mann auf sie zu. Diese aufgeputzte Vogelscheuche war der junge Prinz Riquet mit dem Schopf, der sich nach den Porträts, die man überall von der schönen Prinzessin verkaufte, in sie verliebt hatte und der eigens hierherkam, um sie leibhaftig zu sehen und mit ihr zu sprechen. Überaus froh, sie so allein zu finden, näherte er sich ihr auf die achtungsvollste und gebildetste Weise. Klug, wie er war, bemerkte er bald ihre tiefe Traurigkeit und sprach: »Unbegreiflich, o Herrin, ist es, daß eine so schöne Person so traurig sein kann, wie es Euer Herrlichkeit zu sein scheinen, denn wahrlich, wie viele ausgezeichnet schöne Frauenzimmer ich in meinem Leben schon zu bewundern das Vergnügen hatte, so ist doch keine unter ihnen, die sich mit der Schönheit von Euer Gnaden im entferntesten zu vergleichen oder zu messen imstande sein dürfte.«
»Ihr seid gütig, mein Herr«, sagte die Prinzessin und nichts weiter.
»Schönheit«, nahm Riquet wieder das Wort, »ist ein so großer Vorzug, daß sie alles andere ersetzen muß. Wer Schönheit besitzt, sollte sich meiner Meinung nach durch nichts betrüben lassen dürfen.«
»Mir wäre es lieber«, sagte die Prinzessin, »ich wäre so häßlich wie Ihr und hätte Verstand, statt schön zu sein, wie ich bin, und dabei so dumm, wie ich es leider ebenfalls bin.«
»Nichts, Hoheit«, sagte Riquet darauf, »nichts beweist so sehr, daß man Verstand hat, als der Glaube, keinen zu besitzen. Und es liegt in der Natur der Sache, daß wer Geist hat, immer nicht genug haben kann und sich einbildet, gar keinen zu haben.«
»Das verstehe ich nicht«, erwiderte sie, »ich weiß nur, daß ich sehr dumm bin, und das macht mich so außerordentlich traurig.«
»Wenn es nichts ist als das, o Herrin, so kann ich Eurer Trauer leicht ein Ende machen.«