Riquet mit dem SchopfSeite 5 / 7
Nur die jüngere Prinzessin hatte keine Ursache, sich zu freuen, denn nunmehr hatte sie vor der älteren nichts voraus, und sie erschien jetzt neben ihr als nichts anderes denn als eine häßliche, verfehlte Kreatur.
Der König richtete sich nach dem Rate der plötzlich so klug gewordenen älteren Tochter. Manchmal schloß er sich stundenlang mit ihr ein, um ihre Ansichten über die wichtigsten Staatsangelegenheiten entgegenzunehmen und dann so zu tun, als wären es seine eigenen Ansichten. Da sich das Gerücht von dieser wunderbaren Umwandlung der Prinzessin rasch durch die Welt verbreitete, strömten die Prinzen von allen Seiten herbei, sich um die Hand einer so schönen und geistreichen Prinzessin zu bewerben. Aber unter allen war kein einziger, der ihr geistreich genug erschienen wäre.
Doch kam endlich ein so mächtiger, reicher, verständiger und schöner Königssohn, daß sie nicht umhin konnte und sich mit ihrem Herzen ihm zuneigte. Der König, der das bemerkte, sagte, daß er ihr vollkommen freie Wahl lasse. Da man aber, je gescheiter man ist, desto schwerer in Heiratsangelegenheiten sich entscheidet, dankte sie ihrem Vater und bat ihn, ihr Zeit zu lassen. Um reiflicher und ungestörter über diese Sache nachzudenken, ging sie in den Wald, zufällig in denselben Wald, in dem sie die Bekanntschaft Riquets mit dem Schopf gemacht hatte.
Da hörte sie mitten durch ihre tiefe Nachdenklichkeit von unten herauf ein dumpfes Geräusch wie von vielen Personen, die hin und her gehen und sich viel zu schaffen machen. Wie sie aufmerksam hinhorchte, vernahm sie, wie jemand sagte: »Bringe jene Pfanne«, ein anderer: »Hole den Kessel«, ein dritter: »Lege Holz ins Feuer«, und so fort. Der Boden öffnete sich zu ihren Füßen, und sie sah in eine große Küche, voll von Köchen, Küchenjungen und Hofdienern, die beschäftigt waren, ein großes Festmahl herzurichten. An zwanzig bis dreißig oberste Hofbratenbereiter kamen hervor, marschierten unter den Bäumen hin, gruppierten sich mit Spicknadeln, Hacken, Messern und solchen Waffen in den Händen um einen großen Tisch und fingen nach dem Takte eines melodischen Gesanges zu arbeiten an.